Die Geschichte der Mühltor Gerber
Ein kurzer Einblick in die Stadtchronik
Die Geschichte der Gerberei in Balingen lässt sich bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen.
Bereits im Jahr 1328 wurde in Balingen ein Gerber urkundlich belegt. 1482 wurde erstmals eine „Mühle vor dem Gerbertor“ genannt.
Ab 1718 gab es gar eine Rotgerberzunft in der Stadt. Fortan mussten Gerber Lehrlinge und Gesellen aus weitem Umkreis ihre Gesellen- und Meisterprüfungen in Balingen ablegen.
1776 zählte die Stadt 57 Rotgerbermeister, die hauptsächlich robustes Rindsleder für Schuhmacher und Sattler herstellten.
Ebenso gab es eine Handvoll Weißgerbermeister, die sich auf Pelze und weiches Wildleder für Bekleidung spezialisiert hatten.
Hierdurch erwarb sich Balingen unter anderem ein Renommee für die Produktion erstklassiger Handschuhe.
Vor den Stadttoren Balingens, beim „Klein-Venedig“, verrichteten die Gerber ihre Arbeit. Ihre Werkstätten hatten sie auf einem schmalen Streifen zwischen der Eyach und dem Mühlkanal. Seit 1431 hatten die Gerber ihr eigenes Stadttor, das „Gerbertörle“. Selbst der Großbrand im Jahr 1809 in Balingen konnte der Gerberzunft nichts anhaben. Der letzte bekannte Rotgerber verstarb 1977, die letzte Gerber-Werkstatt Balingens wurde 1994 geschlossen.
In Anlehnung an das Mühltorviertel entstand 2021 der Balinger Mühltor Gerber.
Authentisch gekleidet mit Holzschuhen, hellen Strümpfen, einer dunklen Leinenhose, einem hellen Leinenhemd, einem Lederschurz und einem Kopftuch aus Lederplätzle.
Die Maske ist handgeschnitzt aus Lindenholz. Bemalung und Gesichtsausdruck variieren von Maske zu Maske für eine eigene Individualität.
Auf den Latz des Lederschurzes hat der Mühltor Gerber ein eigenes Wappen bekommen:
Ein weiteres Highlight ist eine gepatchte Handmalerei auf dem Rücken, die eine Ansicht des alten Mühlkanals zeigt, wo früher die Gerbereien lagen:
Alte Ansicht des Mühlkanals
Handmalerei auf dem Rücken
Als Accessoires trägt der Mühltor Gerber eine hölzerner Fellzange oder einen Scherdegen, beides typische Werkzeuge des Gerbers.
Der Scherdegen diente zum Häuten der Felle und zum Abziehen der restlichen Fleischrückstände am Leder, die Zange zum Entnehmen der Felle aus der Lohe, mit der die Häute zum Leder gegerbt wurden.
Scherdegen
Fellzange
Wasser ist heute noch grundlegend für das Gerben. Die Tierhäute und Pelze müssen mehrfach eingeweicht und ausgespült werden. Ohne die sogenannte Lohe, die aus Eichenrinde hergestellte Gerbsäure, war der Gerbvorgang damals nicht möglich. Sie bewirkt die Verwandlung der Haut zu Leder.
Dadurch kommen diese beiden Narrenrufe zustande: